„Eine gute Lüge ist Gold wert“ – Antrittsbesuch des neuen Erfurter Stadtschreibers

15.12.2009 18:38

Catalin Dorian Florescu ist Erfurts fünfter Stadtschreiber. Heute war er zu einem ersten Besuch in der Thüringer Landeshauptstadt, in der er von Anfang April bis Ende Juni 2010 leben und arbeiten wird.

Links die Bürgermeisterin, rechts der Stadtschreiber, beide zur Pressekonferenz der Landeshauptstadt im Rathaus.
Foto: Catalin Dorian Florescu und Tamara Thierbach Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

"Er schreibt seine Texte in Cafés, er isst gerne, er ist ein Gourmet – er passt einfach zu uns", mit diesen Worten stellte Tamara Thierbach, die Bürgermeisterin und Beigeordnete für Soziales, Jugend und Kultur, Catalin Dorian Florescu, den fünften Erfurter Stadtschreiber, in der städtischen Pressekonferenz vor.

Florescu wurde 1967 in Rumänien geboren und flüchtete mit seiner Familie 1982 in die Schweiz, in der er noch heute lebt. Er studierte Psychologie und Psycho­patologie an der Universität Zürich, arbeitete als Psychotherapeut mit Drogen­abhängigen und ist seit 2001 freier Schriftsteller. "Ich sehe mich als europäischer Schriftsteller, der deutsche Literatur schreibt, in Rumänien geboren wurde und in der Schweiz lebt", fasst der 42-Jährige zusammen, der Europäer allein schon aufgrund seiner Geschichte sei und dessen Romane "osteuropäisch" geladen seien.

Florescu denkt aber nicht nur in europäischen Dimensionen, er ist auch viel in Deutschland unterwegs, zuletzt als Stadtschreiber in Dresden. "Liebe entsteht ja", erinnert er sich an seine Zeit in Dresden zurück und erklärt: "Manchmal kommt sie ganz langsam, manchmal ganz plötzlich. Aber sie entwickelt sich. Man muss sie sich erarbeiten." Das möchte er auch in Erfurt und sagt, dass er sehr fleißig darin sein werde, herauszufinden wer wir sind. Er möchte Lesungen veranstalten, mit Menschen ins Gespräch kommen und die Erfurter Cafés kennenlernen.

In den Erfurter Cafés möchte er auch schreiben, an seinem Roman "Jakob beschließt zu lieben", mit dessen ersten Kapitel er sich in Erfurt als Stadtschreiber bewarb, arbeiten. "Ich brauche den lärmenden Hintergrund um mich zu fokussieren und mich abzugrenzen." So erzählte Florescu heute, dass er mit jedem Buch weiter von seiner Autobiografie wegkäme und dies sein erster Roman sei, bei dem er nicht auf Biografisches zurückgreifen könne. Da Bücher aus dem Leben inspiriert seien, würde er sich immer sehr über Geschichten freuen, auch über Lügen: "Eine gute Lüge ist Gold wert für einen Schriftsteller."

Anfang April wird Florescu nach Erfurt kommen, allerdings nicht am ersten April, schließlich sei seine Tätigkeit als Stadtschreiber kein Aprilscherz. Am 27. November 2009 wählte eine 13-köpfige Jury, die sich aus Mitgliedern der Stadtratsfraktionen und Sachverständigen zusammensetzt, Catalin Dorian Florescu zum 5. Stadt­schreiber der Landeshauptstadt Erfurt. Der Erfurter Stadtschreiber-Literaturpreis wird im zweijährigen Rhythmus vergeben. Er setzt sich aus freier Logis in einer kleinen Wohnung inmitten der Altstadt, einem monatlichen Stipendium von 1.250,00 Euro und 250,00 Euro für ein Arbeitstagebuch des Autors zusammen.