Öffentlicher Aufruf: Personen mit Zivilcourage winkt Lutherpreis

05.05.2016 13:00

Im Jahr 1996, zum 475 Jahrestag des Reichstages zu Worms, bei dem sich Martin Luther vor Kaiser Karl V. verantworten musste, wurde erstmals der von damals zehn Lutherstädten initiierte und gemeinsam getragene Preis „Das unerschrockene Wort“ verliehen. Preisträger wurde Prof. Richard Schröder aus Berlin. Seitdem wird er alle zwei Jahre ausgeschrieben.

Die Vergabekriterien für den Preis regelt ein von den Lutherstädten verab­schiedetes Statut. Demnach soll er an Frauen und Männer verliehen werden, die in einer besonderen Situation oder bei einem konkreten Anlass, aber auch beispielhaft über einen größeren Zeitraum hinweg, in Wort und Tat für die Gesellschaft, die Gemeinde oder den Staat bedeutsame Aussagen ge­macht und gegenüber Widerständen vertreten haben. Dabei geht es weniger um eine Zustandsbeschreibung, als um wegweisende, zukunftsgerichtete Überlegungen.

Bei der Preisvergabe spielen parteipolitische und konfessionelle Gesichts­punkte keine Rolle. Auch allgemeine Unzufriedenheit, querulatorische oder eigennützige Motive und Demagogie erfüllen nicht das Kriterium des „unerschrockenen Wortes“. Der Preis kann für eine einmalige Aktion, aber auch für ein Lebenswerk verliehen werden. „Das unerschrockene Wort“ sollte sich allerdings auf die gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik beziehen, wobei der Preisträger bzw. die Preisträgerin gleichwohl ausländischer Herkunft sein kann.

Die Finanzierung des mit 10.000 Euro und einer Urkunde dotierten Preises wird über einen Fonds geregelt, in den die Lutherstädte alle zwei Jahre 1,6 Cent pro Einwohner einzahlen. Die jeweils nächste, ausrichtende Stadt wird per Losentscheid bestimmt. Nach der "Geburtsstadt der Reformation", der Lutherstadt Wittenberg im vergangenen Jahr wird es im kommenden Jahr das "politische Zentrum der Reformation", die Stadt Torgau, sein.

In der kurfürstlichen Residenz Torgau wurden unter Friedrich dem Weisen, Johann dem Beständigen und Johann Friedrich dem Großmütigen die entscheidenden politischen Weichenstellungen für den Verlauf der Reformation in Kursachsen und damit letztlich im ganzen deutschen Reich getroffen. Am 5. Oktober 1544 hat Luther die Schlosskirche in Torgau als ersten protestantischen Kirchenbau eingeweiht. Außerdem wurden 1530 in Torgau die " Torgauer Artikel" von Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen als wichtige Bestandteile der Augsburger Konfession verfasst. In Torgau ist Luthers Ehefrau Katharina (geb. von Bora) begraben.

Der Preisträger wird in diesem Jahr am 8. November von einer Jury, die sich aus den Stadtoberhäuptern der Lutherstädte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammensetzt, gewählt. Bis dahin soll möglichst jede der heute 16 beteiligten Lutherstädte (Augsburg, Coburg, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Halle, Heidelberg, Magdeburg, Marburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Wittenberg, Worms und Zeitz) eine dem Preis würdige Person vorschlagen. Die eingegangenen Vorschläge sollen – dem Statut entsprechend – aus einer breiten Beteiligung der Bevölkerung hervorge­gangen sein. Dazu haben die Erfurter Bürgerinnen und Bürger jetzt Gelegenheit.

Inzwischen wurde der Preis zehnmal vergeben. Nach Richard Schröder erhielten Hans Küng, Uta Leichsenring (2001 in Erfurt), Gertraud Knoll, Stephan Krawczyk, Emel Abidin-Algan, Andrea Röpke, Dimitrij Muratow von der Nowaja Gasjeta, die Regensburger Gastwirte, die sich weigern, Nazis zu bedienen, und der syrische Rechtsanwalt Mazen Darwish mit dem Syrischen Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit (SMC) den Preis. Ein Erfurter Vorschlag konnte sich bisher nicht durchsetzen.

Bis zum 31. August 2016 können nun erneut Vorschläge mit schriftlicher Begründung beim Büro des Oberbürgermeisters, Fischmarkt 1 (E-Mail: buergerbeauftragter@erfurt.de), eingereicht werden.