Neu aufgetauchte Fundstücke aus dem Erfurter Schatz vorgestellt

18.06.2025 14:23

Der 1998 in der Michaelisstraße 43 unweit der Alten Synagoge in Erfurt gefundene mittelalterlich-jüdische Schatz ist zweifelsohne der bedeutendste archäologische Fund der letzten 100 Jahre im Erfurter Stadtgebiet. Das insgesamt etwa 30 kg wiegende Fundkonvolut enthält neben 3.142 Silbermünzen und 14 Silberbarren auch mehr als 700 Einzelstücke gotischer Goldschmiedekunst. Höchstwahrscheinlich wurde er 1349 während des Pestpogroms vom 21. März in einer Nische am Kelleraufgang versteckt.

Vier Teile gotischer Gewandschließen werden zunächst konserviert und restauriert

Foto: Die Welterbebeauftragten Dr. Maria Stürzebecher und Dr. Karin Sczech freuen sich darauf, die neuen Fundstücke perspektivisch in der Alten Synagoge zu präsentieren. Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Im September 2023 wurde das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe in Erfurt in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen. Mit ihm ist der Erfurter Schatz unmittelbar assoziiert.

Über 25 Jahre nach der Entdeckung des Erfurter Schatzes sind nun bei einer Privatperson vier weitere Stücke aufgetaucht, die zweifelsohne diesem Fundensemble zuzuordnen sind.

Es handelt sich dabei um vier Teile gotischer Gewandschließen. Die als Haken- und Ösenverschlüsse gearbeiteten Objekte besitzen ornamental gestaltete Beschläge. Sie dienten einerseits als praktischer Kleidungsverschluss, andererseits durch ihre kunsthandwerklich hervorragend gearbeiteten Schauflächen der Darstellung der herausragenden Qualität der Kleidung und damit der Darstellung des Status ihres Trägers. 

Bei drei Stücken handelt es sich um die Gegenpartien von Verschlüssen aus dem bereits vorliegenden Fundkonvolut, was die zweifelsfreie Zuordnung zum Erfurter Schatz erlaubt.

Funde aus mittelalterlich-jüdischen Zusammenhängen sind grundsätzlich sehr selten, da sie in der Vergangenheit häufig missachtet und teilweise vorsätzlich zerstört wurden. Unabhängig von ihrer Zuordnung zum Erfurter Schatz kommt den vorliegenden neuen Fundstücken damit eine große Bedeutung zu.

In Thüringen gilt das sogenannte Schatzregal (§ 17 ThürDSchG), das besagt, dass Fundobjekte, deren Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, Eigentum des Freistaates Thüringen werden, insbesondere, wenn sie bei staatlichen Nachforschungen gefunden wurden oder von hervorragendem wissenschaftlichen Wert sind. Dabei geht es darum, wichtiges Kulturgut für die Allgemeinheit zu sichern und es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, z. B. mittels Publikationen oder Ausstellungen.

Thüringens Staatssekretär für Wissenschaft und Kultur, Prof. Dr. Steffen Teichert, der bei der heutigen Pressekonferenz in der Alten Synagoge sprach, betonte: „Der Erfurter Schatz gehört nicht hinter verschlossene Türen. Er gehört in die Mitte der Gesellschaft. Mit den neuen Fundstücken wird ein weiteres Kapitel dieser außergewöhnlichen Geschichte sichtbar – und zwar dort, wo es hingehört: im öffentlichen Eigentum und zugänglich für alle. Das ist gelebter Denkmalschutz und ein starkes Zeichen für unser kulturelles Selbstverständnis.“

Dr. Sven Ostritz, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, ergänzt: „Als im Jahre 1998 die ersten Objekte aus dem mittelalterlich-jüdischen Schatzfund von Erfurt auftauchten, waren diese zunächst unansehnlich und ihre Bedeutung nur schwer einzuschätzen. Die daraufhin angestellten Nachforschungen brachten aber ein Konvolut von Münzen und Edelmetallobjekten zutage, das sich bald als der größte bekannte mittelalterlich-jüdische Schatzfund herausstellte. Dieser wurde 1349 vor einem Pogrom gegen die jüdische Gemeinde versteckt und konnte hinterher nicht mehr geborgen werden, weil der ursprüngliche Eigentümer dabei umgebracht worden war.

Die Bedeutung des Erfurter Schatzes liegt weniger in dem materiellen Wert der Objekte, als vielmehr darin, dass er Zeugnis vom mittelalterlich-jüdischen Leben in Erfurt ablegt und von dem Beitrag der jüdischen Gemeinde zur Kultur dieser Stadt, der von der Unesco mit dem Eintrag in die Welterbeliste gewürdigt wurde. Solche Zeugnisse sind extrem selten, weil sie in der Vergangenheit häufig missachtet und teilweise vorsätzlich vernichtet worden sind. Darum sind heute auch wenige und kleine Fundstücke eine wichtige Ergänzung unseres schmalen Quellenbestandes.

Der Freistaat Thüringen sichert solche Quellen für die Allgemeinheit und macht sie z. B. in der Alten Synagoge in Erfurt der Öffentlichkeit zugänglich.“

Quelle. Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

Hinweis:

Sobald die Fundstücke in Landeseigentum übergegangen sind, bearbeitet das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie sie konservatorisch und restauratorisch. Erst danach, in voraussichtlich sechs bis zwölf Monaten, können die Stücke ausgestellt werden.