Stadtwerke-Geschäftsführer: Vertrauen grundlegend zerstört. Oberbürgermeister fordert fristlose Kündigung

27.05.2009 22:30

Am Freitagnachmittag wird der Stadtrat in einer nicht öffentlichen Sitzung über die fristlose Kündigung der Geschäftsführer der Erfurter Stadtwerke abstimmen. "Die Aktenlage ist eindeutig", argumentiert Oberbürger­meister Andreas Bausewein und verweist auf eine recht­liche Beurteilung der unabhängigen Frankfurter Anwaltskanzlei Görg, welche der den Stadträten zukommen ließ. Darüber hinaus sei das Vertrauensverhältnis "irreparabel zerstört".  

Aufgrund gesetzlicher Fristen ist ein schnelles Handeln gefragt. Von einem "Schnellschuss" der Stadtverwaltung (TLZ vom 27.05.) kann keine Rede sein. Schnelles Handeln ist allein deshalb notwendig, weil es die gesetzlichen Fristen so vorschreiben: Nach § 626 Abs. 2 BGB muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen vollständig bekannt geworden sind.  

Die 14-tägige Frist für die fristlose Kündigung der SWE-Geschäfts­führer läuft seit dem 20. Mai 2009. Denn an diesem Tag erhielt die Stadtverwaltung Erfurt Einsicht in Akten der Staatsan­waltschaft, vier Ordner mit bisher zum Teil unbekannten Materi­alien, darunter auch Versicherungs-Akten. Aufgrund der ausgewerteten Unterlagen kommt nur eine sofortige, d. h. fristlose Kündigung der Geschäfts­führer in Betracht.  

Eine "ordentliche" Kündigung ist schon allein deshalb nicht möglich, da die Verträge eine Laufzeit bis März 2012 haben. "Nur mit der fristlosen Kündigung wird der Landeshauptstadt, konkret der SWE Stadtwerke Erfurt GmbH, kein finanzieller Schaden entstehen", so OB Bausewein. "Im Gegenteil: Mit Zugang der fristlosen Kündigung erlöschen auch die Ansprüche auf Entgelt aus den Anstellungs­verträgen."  

Das rechtliche Gutachten der Kanzlei spricht eine eindeutige Sprache und führt mehrere Beispiele einer Untreue-Handlung gemäß § 266 StGB auf und bewertet das Verhalten wie folgt: "Der Austausch und die Rückdatierung von Dokumenten, die jedenfalls nach Vor­stellung der beiden Geschäftsführer Ansprüche in erheb­licher Höhe zu Lasten der Gesellschaft begründen sollten, stellt eine grobe Verletzung der kaufmännischen Pflichten eines Geschäfts­führers dar, die hinter dem Rücken der Alleingesellschaf­terin erfolgte und das Vertrauens­verhältnis zu dieser ebenfalls völlig zerrüttet hat." 

Die Anwälte Dr. Werner Mielke und Dr. Lars Nevian kommen nach reichlicher Abwägung zu der Empfehlung: "Auf Grund der Schwere der Pflichtverletzung überwiegt das Interesse der Alleingesell­schafterin an einer sofortigen Kündigung des Dienstvertrages das Weiterbeschäf­tigungsinteresse der beiden Geschäftsführer deutlich."     

Mit Änderung der Geschäftsordnung für den Stadtrat der Landes­hauptstadt Erfurt und seiner Ausschüsse vom 29.11.2006 (Stadtrats­beschluss 174/06) liegt die Verant­wortung zur Entscheidung bei jedem einzelnen Stadtratsmitglied. "Ich kann nur an die Stadträte appellieren, weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden und die fristlose Kündigung zu beschließen", so der Oberbürgermeister und ergänzt: "Auch trage ich mich mit dem Gedanken, eine namentliche Abstim­mung zu beantragen. Nur so wird klar und deutlich, wer hier Verantwortung zu übernehmen bereit ist und wer nicht."  

Zum zeitlichen Ablauf:
23. April 2009: Durchsuchung von Räumen der Stadtwerke und der Stadtverwaltung durch das LKA

24. April 2009: Treffen der Mitglieder des Aufsichtsrates der SWE und Information durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, OB Bausewein

28./30. April 2009: Aufsichtsratssitzung und Beschluss über Beauf­tragung einer Externen Anwaltskanzlei zur Überprüfung der Akten

12. Mai 2009: Beauftragung der Kanzlei Görg durch die Stadt

14. Mai 2009: Übergabe der Akten an die Kanzlei Görg  

20. Mai 2009: erste Einsicht in die Akten der Staatsanwalt­schaft/LKA durch die Stadtverwaltung Erfurt

22. Mai 2009: Besprechung zwischen der Stadtverwaltung und der Kanzlei Görg und Übergabe der Akten der Staatsanwaltschaft, bereits bei diesem Treffen empfahl der Anwalt die fristlose Kündigung 

25. Mai 2009: 14 Uhr trifft die Rechtliche Beurteilung der Anwaltskanzlei bei Oberbürgermeister Andreas Bausewein ein, am selben Tag wird der Auf­sichtsrat informiert und werden die Einladungen für eine Aufsichtsratssitzung sowie den Sonder­stadtrat versandt