70 Jahre nach dem 9./10. Mai 1942: Landesweit gemeinsames Gedenken an die Deportation und Vernichtung der Thüringer Juden

03.05.2012 16:18

Im Mai 1942, vor 70 Jahren, begannen in Thüringen die Deportationen der jüdischen Bürger. Wie überall im Deutschen Reich waren auch sie nach Kriegsbeginn 1939 gezwungen worden, ihre Wohnungen zu verlassen und getrennt von nichtjüdischen Nachbarn in "Judenhäusern" unter schlechten Bedingungen zu leben. Dort erreichte sie wenige Tage vor der Deportation die Aufforderung, sich am 9. Mai an Sammelplätzen in ihrer jeweiligen Stadt einfinden zu müssen. Mit dem Zug wurden sie nach Weimar gebracht, dort in einer Viehauktionshalle festgehalten und am 10. Mai zusammen mit Juden aus Sachsen in ein Ghetto im polnischen Bełżyce verschleppt. Fast alle der 513 Männer, Frauen und Kindern aus Thüringen wurden in Bełżyce, im KZ Majdanek oder in anderen Vernichtungslagern ermordet. Die Deportationen am 9./10. Mai 1942 markieren den Beginn der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Thüringens.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Deportationen hat sich in Thüringen auf Initiative der Landeszentrale für politische Bildung und des Erinnerungsortes Topf & Söhne ein Netzwerk aus zahlreichen Institutionen und Initiativen gebildet. Ziel ist, gemeinsam der Thüringer Bürger zu gedenken, die aus menschenfeindlichen und rassistischen Motiven ermordet wurden. Mit diesem erstmalig koordinierten Gedenken wird ein für Thüringen wichtiges historisches Datum in das öffentliche Gedächtnis zurückgeholt. In Apolda, Arnstadt, Bibra, Erfurt, Gera, Jena, Meiningen, Mühlhausen, Nordhausen, Themar, Walldorf und Weimar finden 33 Gedenkveranstaltungen, Zeitzeugengespräche, Vorträge, Ausstellungen und Radioprojekte statt.

Die Landeszentrale für politische Bildung hat eine Quellenedition zur Deportation und Vernichtung der Thüringer Juden herausgebracht, die von Dr. Harry Stein und Carsten Liesenberg zusammengestellt wurde und an mehreren Orten vorgestellt wird.
Unter den vielen Aktivitäten ist der Besuch der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano in Erfurt von besonderer Bedeutung. Sie kommt am 7. Mai mit Hip-Hop-Künstlern zu einem Konzert gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus in das Radio F.R.E.I. Am 8. Mai steht sie für ein Zeitzeugengespräch im Erinnerungsort zur Verfügung. Am 9. Mai rufen Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung an einer Gedenkveranstaltung im Erfurter Hauptbahnhof von 6 bis 8 Uhr auf. Das ist der Zeitraum, in dem sich dort vor 70 Jahren 101 Männer, Frauen und Kinder zur Deportation versammeln mussten. Keiner von ihnen überlebte den Holocaust. Um 7 Uhr 40, der Abfahrtszeit des Zuges nach Weimar, legt OB Andreas Bausewein an der Gedenktafel am Aufgang zu Gleis 3-8 einen Kranz nieder. Es singt Avitall Gerstetter, die erste jüdische Kantorin in Deutschland. Die Deutsche Bahn ist Kooperationspartner der Gedenkveranstaltung.