Wer war Stephaton? – Zur Deutung der Kreuzigungstafel im Dom zu Erfurt

02.09.2015 10:56

Am Dienstag, dem 8. September, 19 Uhr, findet im Angermuseum Erfurt ein neuer Vortrag zu der Sonderausstellung "Kontroverse und Kompromiss. Der Pfeilerbilderzyklus des Mariendoms und die Kultur der Bikonfessionalität im Erfurt des 16. Jahrhunderts" statt. Dr. Verena Friedrich von der Universität Würzburg spricht zum Thema "Wer war Stephaton? Zur Deutung der Kreuzigungstafel im Dom zu Erfurt".

Noch nie wurde der Schwammträger in so bildbeherrschender Weise wie auf der Erfurter Tafel dargestellt

Der gekreuzigte Jesus Christus mit Heiligenschein, links die Gottesgebärerin Maria, die anderen Frauen und (vermutlich) der Lieblingsjünger, rechts sieben weitere Männer. Unter dem Kreuz mit der angebrachten Tafel "INRI" (Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – Jesus von Nazaret, König der Juden) drei Personen knieend.
Foto: Kreuzigung: Pfeilerbild im Hohen Dom zu Erfurt St. Marien, Kathedralkirche des Bistums Erfurt, um 1520 Foto: © Bistum Erfurt, Foto: Falko Behr

Die Kreuzigungstafel des Pfeilerbilderzyklus im Mariendom zu Erfurt weist in der Bilderfindung gleich mehrere Eigentümlichkeiten auf. Völlig von der bisherigen Darstellungstradition abweichend, ist jedoch die Bildpräsenz des Schwammträgers, der als ein gewisser „Stephaton“ überliefert ist. Er soll dem dürstenden Christus am Kreuz einen aufgespießten Schwamm mit Essigwasser gereicht haben.

Im Evangelium nach Johannes wird dies noch präzisiert, indem es sich bei dem Stab um einen Ysopzweig gehandelt haben soll. Als Zeuge der Kreuzigung und als aktiver Teilnehmer am Geschehen ist Stephaton schon früh in der bildenden Kunst bei Kreuzigungsdarstellungen verbildlicht worden, zumeist jedoch als Pendant zur wesentlich bekannteren Figur des Hauptmanns Longinus.

Nie jedoch wurde der Schwammträger in so bildbeherrschender Weise wie auf der Erfurter Tafel dargestellt. Dies gibt Anlass, sich näher mit diesem römischen Schergen zu beschäftigen, der sich – wie Longinus auch – noch während der Kreuzigung zu Christus bekannt haben soll.