Kultur ist Grundnahrungsmittel

09.11.2020 14:37

Dass die Kulturbranche 2020 um ihre Existenz bangen muss, zeigte bereits die im Oktober durchgeführte Umfrage der Kulturdirektion zur Situation der Erfurt Kultur. Am vergangenen Samstag machte die Kulturszene selbst auf ihre gelähmte Lage aufmerksam, indem sie in den sozialen Medien unter dem Hashtag „Kulturkoma“ zeitgleich verschiedene Beiträge veröffentlichte.

Oberbürgermeister solidarisiert sich mit Erfurter Kulturschaffenden und Akteuren der Veranstaltungsbranche

Mann steht vor Fenstern und schaut in die Kamera.
Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Ein Zustand, den die Stadtspitze durchaus ernst nimmt. Am Freitag wandten sich Oberbürgermeister Andreas Bausewein und der Beigeordnete für Kultur und Stadtentwicklung Dr. Tobias J. Knoblich per Videonachricht an die Kulturschaffenden. Bausewein versicherte, unbürokratisch zu helfen und die Förderung auch in den Folgejahren nicht zu kürzen. „Ich will, dass Sie wissen, dass wir den kulturellen Bereich, der formal eine freiwillige Aufgabe ist, nicht als Steinbruch benutzen. Wir werden an der Stelle nicht kürzen und aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen ist auch das Gegenteil der Fall – wir müssen darüber reden, die Ausgaben städtischerseits noch aufzustocken", so Bausewein.

Ein wichtiges Zeichen an die Kulturszene, die sich mit dem erneuten Lockdown ungerecht behandelt sieht. „Mit dem zweiten Lockdown ist die Improvisationsfähigkeit an ihre Grenzen gekommen, da wir trotz aufwändiger Hygienekonzepte nun wieder ins Arbeitsverbot geschickt wurden“, sagt Lisa Hilpert von der Ständigen Kulturvertretung, einer Interessenvertretung der freien Kulturszene Erfurts.

Auch Knoblich kritisiert die zu geringe Differenzierung des Kulturbereichs auf Bundes- und Landesebene und dass die Verordnungen vielen Akteuren nicht gerecht wurden, „da Kultur sehr stark auf Freizeitgestaltung reduziert wurde“. Aber es sei nun auch aufgrund der steigenden Infektionszahlen Distanz geboten, „obwohl Distanz an sich der Feind der Kulturarbeit ist, denn da geht es darum, dass man Nähe herstellt, in den direkten Austausch tritt, aber wir müssen nun damit umgehen, dass das Grundnahrungsmittel Kultur aktuell nicht verfügbar ist.“ Er betont aber ebenso die Unterstützung verwaltungsseitig. „Wir versuchen zu helfen, wo immer es geht, denn wir wissen um die Sorgen und Nöte der Branche.“

Umfrage gibt Aufschluss über Situation der Kulturschaffenden

Welche das genau sind, erfuhr die Stadtverwaltung durch eine Umfrage zur Situation der Erfurter Kultur. Rund 60 Kulturschaffende wie Klubbetreiber, Theatermacher, Musiker, Chöre, Festivals, Konzertveranstalter, Kinomacher und Akteure der kulturellen Bildung  deklarierten hier, dass sie bereits durch den ersten Lockdown und die eingeschränkten Möglichkeiten danach, durch Gagen-, Eintritts- und Gastronomieausfälle Verluste in Millionenhöhe verzeichneten und teilweise Einbußen von über 90% zum Vorjahr feststellen mussten. Diese Tatsache führt bei 80% der Umfrageteilnehmer dazu, dass sie zunehmende bis extreme Existenzängste haben. Knapp die Hälfte hat Nothilfen in Anspruch genommen, dabei wird kritisiert, dass bei den Nothilfeprogrammen oft nur Betriebskosten bezuschusst wurden, die nicht bei allen anfallen. Zudem nutzen sie diese auch nicht unbedingt zur Unkostendeckung, sondern dafür, Kosten für Hygienekonzeptmaßnahmen umzusetzen. Denn rund 60% der Kulturschaffenden reagierten flexibel auf die neuen Vorschriften und passten ihre Formate entsprechend an oder entwickelten sogar neue, um Kultur trotzdem zu ermöglichen, auch wenn dies häufig nicht rentabel ist. Die beiden am häufigsten genannten Bedarfe waren die Sichtbarkeit der coronabedingten Probleme der Kulturbranche in der Öffentlichkeit und die finanzielle Unterstützung zur Absicherung der laufenden Kosten. Hier macht das Novemberprogramm der Bundesregierung Hoffnung, welches große Teile des Umsatzausfalls des Novembers mit einer Milliarde Euro unterstützen will. Kulturunternehmen sollen 75% ihres Umsatzes als direkte Hilfe bekommen und auch Soloselbstständige werden hierbei berücksichtigt.

Kommunal kann ein solches Programm aktuell nicht angeboten werden. Jedoch besteht die Möglichkeit, für Kulturprojekte eine unbürokratische Mikroprojektförderung von bis zu 500 Euro bis zum 30. November 2020 zu beantragen. Die bewilligten Projekte können noch bis Mitte nächsten Jahres umgesetzt werden.

Auf Landes- und Bundeebene will sich Oberbürgermeister Bausewein dafür einsetzen, dass Hilfsprogramme noch ausgeweitet werden, damit die Kulturbranche auch noch die nächsten Monate übersteht.

Online-Beratung zu Fördermitteln für Kulturschaffende

Und auch dem Versprechen, zu unterstützen und zu beraten, wo es möglich ist, kommt die Stadtverwaltung nach. In der Umfrage zeigte sich ein großer Bedarf nach Beratung im Bereich Fördermittel und Hilfsleistung. Um dem schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen, bietet die Kulturdirektion an diesem Donnerstag, den 12. November 2020, um 18.00 Uhr eine Onlineberatung zum Thema „Aktuelle Fördermittelhilfe für Kulturschaffende in der Coronazeit" an. Interessierte melden sich bitte per E-Mail an.

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