Übergabe der siebenten Erfurter DenkNadel am 27.01.2012, 15 Uhr, an der heutigen Johannesstraße 98

11.01.2012 14:40

Im Sommer 1942 wurde Familie Cohn in eine Wohnung im ersten Stockwerk des Hinterhauses der Johannesstraße 98/99 eingewiesen. Max Cohn war mit einer Nichtjüdin verheiratet, ihre drei Kinder galten als "jüdische Mischlinge ersten Grades".

Der Familienvater war als Zwangsarbeiter bei der Firma Thüba, Thüringer Badeofenfabrik, in der Fertigung von Flugzeugteilen beschäftigt. Ein Kollege denunzierte ihn wegen des Eintauschens von Zigaretten gegen Lebensmittelrationen. Daraufhin wurde Max Cohn verhaftet und verurteilt. Ende Januar 1943 hatte er die dreimonatige Haftstrafe verbüßt. Ende Mai 1943 erfolgte seine Deportation in das KZ Auschwitz-Monowitz, im November 1943 wurde er in das KZ Buchenwald überstellt. Dort starb er Anfang   April 1945.
Der älteste Sohn, Helmut, und die Tochter, Rosemarie, wurden von Nachbarn mehrfach wegen Nichttragens des Judensterns denunziert. Die Gestapo verhaftete beide Mitte 1944, im Juli 1944 wurden sie in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Das letzte Lebenszeichen von Helmut ist ein Brief vom 09.12.1944 aus Block 20, dem "Infektionsblock". Rosemarie wurde in das KZ Bergen-Belsen überstellt; wo sie im Januar 1945 Hungers starb.
Mit der DenkNadel für Max, Helmut und Rosemarie Cohn wird dreier Menschen gedacht, die in Konzentrationslagern bzw. im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurden und deren genaues Todesdatum nicht belegt ist. Es wird darüber hinaus das Denunziantentum angeprangert, das zu ihrem Tod geführt hat. Ihrer Deportation gingen Verhaftung und Bestrafung voraus, weil sie sich bestimmten antijüdischen Verordnungen nicht gebeugt hatten. Es ist anzunehmen, dass Max Cohn, der Mitglied in der SPD und im "Reichsbanner Schwarz Rot Gold" gewesen war, kein Duckmäuser gewesen ist.

Eine Sammlung innerhalb der Erfurter SPD, die damit auch das bürgerschaftliche Engagement des Arbeitskreises "Erfurter Gedenken 1933 -1945" unterstützen möchte, ermöglichte die Finanzierung dieser DenkNadel. Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Erfurt, Andreas Bausewein, wird anlässlich der Übergabe der DenkNadel eine Ansprache halten.

Das Erinnerungszeichen an der heutigen Johannesstraße 98 schließt auch alle anderen ein, die von hier aus zwischen Mai 1942 und Januar 1945 deportiert worden sind. Es handelt sich um mindestens weitere
17 Personen, von denen nur drei überlebt haben. Die damalige Johannesstraße 98/99 gilt als Ghettohaus, weil mehrere Wohnungen von Gestapo und Stadtverwaltung als "Judenwohnraum" genutzt wurden, nach bisherigen Informationen im ersten und zweiten Stock des Hinterhauses.