Das nenn ich mal eine Ansage!

25.07.2023 17:23

Seit April entdeckt Isabella Straub, Erfurts diesjährige Stadtschreiberin, die Stadt. Hier im Tagebuch lässt sie alle Interessierten an ihren Eindrücken teilhaben.

Von Isabella Straub

Foto: © KI-Bildgenerator API

In meinen Ohren klingen die Ansagen in der Erfurter Straßenbahn immer ein wenig beleidigt. So als wollten die Damen eigentlich keine Haltestellen verkünden, sondern einen Wettersatelliten programmieren, große Nagetiere füttern oder Knittelverse rezitieren. Nun aber, da sie „Kaffeetrichter“, „Am Schwemmbach“ oder „Gewerbegebiet Ost“ aufsagen müssen, lassen sie den Fahrgast an ihrem Weltschmerz teilhaben.

Zugegeben: Was Stimmen betrifft, sind Österreicherinnen und Österreicher Sensibelchen. Bei uns wurde seinerzeit sogar die telefonische Zeitansage in lupenreinem Burrrgtheaterrrdeutsch eingesprochen. Und hatte man sich mal an was gewöhnt, dann blieb das. Was liegt, das pickt. Über vierzig Jahre lang war Franz Kaida die Stimme der Wiener Verkehrsbetriebe. Eine onkelhafte Stimme mit hohem Wiedererkennungswert, die nicht wenige Zeitgenossen vermutlich öfter vernahmen als die des eigenen Vaters. „Vorsicht, zwischen Bahnsteig und U-Bahntür ist ein Spalt!“ Das klang, als würde Onkel Franz einen ganz persönlich am Arm nehmen und über die Gefahren in der Welt da draußen aufklären. Als seine Stimme im neuen Jahrtausend ersetzt wurde, war die Entrüstung groß. „Wir wollen Franz zurück!“ wurde zum Schlachtruf.  

Den österreichischen Bundesbahnen kann das nicht passieren: Sämtliche Ansagen werden von der beliebten Moderatorin und Autorin Chris Lohner eingesprochen – und zwar bis in alle Ewigkeit. Mittlerweile gibt es einen digitalen Lohner-Setzbaukasten: Aus extrahierten Silben lassen sich alle nur denkbaren Abfahrten und Verspätungen zusammenbasteln. Und während am Bahnsteig der digitale Lohner-Klon „Die erste Klasse befindet sich in Abschnitt C“ verkündet, entspannt die leibhaftige, die stramm auf die achtzig zugeht, bei einem Caipirinha, während sie ihr 15. Buch schreibt. Gerüchten zufolge besucht sie demnächst ein Kloster in Nepal, wo sie gemeinsam mit Haltestellen-Ansage-Kolleginnen aus Erfurt den Mönchen das Jonglieren mit Thüringer Klößen beibringen wird. Die nächsten Ansagen in der Erfurter Straßenbahn werden buddhistisch gelassen klingen – achten Sie mal drauf!