Simone Berg: War das jetzt schon Liebe?
Björn, Bodypump, ganz vorne im Spiegel, blaues T-Shirt, kurze Hose, muskulöse Waden, womöglich Läufer. Seine Haare ungekämmt, sein Atem riecht nach Schlafzimmer. Die Muskeln angespannt durch die Gewichte. Seine Bewegungen im Fluss. Schweiß tropft auf den Boden. Durchhaltevermögen beweisend. Er legt sich auf seine Matte. Jetzt bin ich ihm ganz nah. Auch einen Kaffee? Gerne! Mit Milch? Immer schwarz! Sein Gesicht, grobschlächtig, schön. Gerne möchte ich es mal berühren. Doch seine Augen sind woanders. Single Party. Gemischte Altersgruppe. Männerüberschuss. Zwei von denen ansprechend. Einer zu spät, abgehetzt, scheinbar selbstbewusst und aufgeregt. Björn. Sein Blick in die Runde erwartungsvoll. Sicher auf der jungen, zu stark geschminkten, leicht bekleideten Blondine mit dem säuerlichen Mundgeruch hängen geblieben.
Hanno, Straßenbahn, gleich hinter der Tür, graue Zunftkleidung, blonde, wilde Haare, raucht bestimmt manchmal, oder hat mal geraucht. Groß, stabil gebaut, ein Mann wie er zu sein hat. „Entschuldigung!“, „Kein Problem!“. Nur der große Kinderwagen, der ohnehin zu viel Platz einnimmt, trennt uns voneinander. Ich bin erstmal zu beschäftigt. Die App laden, anmelden, Zahlungsmethode speichern. Dabei spüre ich Deine Blicke auf uns. Vermutlich denkst Du, dass es sich mal wieder um eine Mutter handelt, die nur mit ihrem Telefon beschäftigt ist, anstatt zuzuhören, was ihr Kind zu sagen hat. Ich kann es kaum erwarten Dich anzusehen. Wir, chaotisch, ein wenig ungepflegt. Der Kinderwagen erinnert mich an meine Existenzängste. Obdachlosigkeit im Hinterkopf und, dass ich irgendwann nur noch diesen Wagen besitze und alle meine Habseligkeiten darin verstaut sind. Alma schreit laut: „Rabe Socke! Rabe Socke!“ und beschreibt das Draußen. Was die wieder alles erzählt. Wie wild die ist. Ein Kind wie es zu sein hat. Die Bahn hält und Sie drückt den Knopf, der Barrierefreiheit signalisiert. Eigentlich denke ich „Mist!“, aber Deine Anwesenheit macht mich schon jetzt zu einer entspannteren Mutter und ich sage: „Knöpfe drücken ist das Beste! Nicht wahr mein Schatz?“ Du überlegst kurz und dann erklärst Du sanftmütig, mit Deiner tiefen Stimme meinem Kind, was es für Konsequenzen hat, wenn man da drauf drückt. An der nächsten Haltestelle bleibt Alma ruhig sitzen. Du stehst auf, klemmst Dir den großen, schweren Holzzuschnitt unter den Arm. „Schönen Tag euch noch!“, „Dir auch!“.
Die Nacht zu kurz, der Morgen zu knapp. Google Maps sagt, dass der Weg zu weit ist. Der Regen stark. Trotzdem bin ich pünktlich da. Warm und herzlich werde ich in Deinem Eingangsbereich begrüßt. Die Aufregung steigt und steigert sich noch mehr, als ich endlich vor Dir sitze. Vertrauen und Geborgenheit erfüllt den Raum. Ich lege mich ruhig auf die Seite. Du schiebst Deinen recht umfangreichen Schlauch routiniert, sicher und schnell in meinen Körper. Ich suche einen Punkt an der Wand, den ich umklammern kann, wie meine Arme meinen Körper. Einatmen, ausatmen und das Ganze wiederholen. Du ziehst ihn raus und schon ist es geschafft. Einen Moment brauche ich noch um mich wieder zu finden. Dann stehst Du vor mir. Matthias, Deine braunen Locken ganz weich, Deine Augen freudig, Dein Lächeln kindlich und reichst mir den Umschlag mit meinem Befund.
Anne Berthold: Schöne Begegnung
Sonntagnachmittag an einem großen Bahnhof der Mainmetropole.
Ich, Rucksack voll, 2 Jutebeutel voll, Handtasche, voll bepackt.
Einfahrt des ICE nach Berlin.
Auch dieser, laut Bahn-App, voll ausgebucht.
Ich – ohne Sitzplatzreservierung – schon jetzt voll genervt.
Einstieg in den Waggon. Suche beginnt.
1. Klasse fast voll, 2.Klasse sehr voll.
Da! Ein fast leerer Platz.
Fensterplatz belegt durch eine junge Frau. Gangplatz eingenommen von Hundebox samt Vierbeiner.
Ich so: „Hier noch frei?.“
Sie so: „Hum.“
Platzierung des Hundes samt Box im Fußraum. Der Gangplatz nun besetzt durch mich.
Ich so: „Reiseziel?“
Sie so: „Erfurt.“
Ich so: „Ich auch.“
Voll toll.
Friederike Hempel: An eine Freundin
Lange Reise
lange Zeit
Ein Wiedersehen
taglang
randvoll
mit Erinnerung
abendlang
geteiltes Leben
Zitronen auf dem Tisch
und Pfingstrosen
Du. Freundin.
Ein Ankerplatz
meines Lebens.
Schmira, 7. Juni
Friederike Hempel: Erinnerung
Ich erinnere mich
an das blaueste aller Meere
an den Gesang der Zikaden im Wald
Ich erinnere mich
an die wärmste aller Sonnen
und die Füße im Sand
Ich erinnere mich
an den Duft des Thymian
an Wind im Haar
Ich erinnere mich
angekommen zu sein
Heimat zu haben
wo ich nie zu Hause war.
Schmira, 7.Juni 2023
Harald Schmidt: Gedanken
Zauber der Schrift und der Kunst einer Gedichte- und Geschichten-Erzählerin
Sie schauen nur Maschinen an,
und das noch in der Nacht.
Da können’s auch ein paar Blümchen sein,
weil das ja Freude macht.
Der Duft verbreitet sich im Raum,
sie sind lieblich anzusehen.
Sie grüßen auch im Morgengrauen
und noch vor dem Schlafengehen.
Ein Vöglein singt gar hoch im Baum,
es lässt sein Lied erklingen.
Die Töne klingen hell im Traum
Du fliegst auf leisen Schwingen.
Brigitte Schulze: Denkste!!
Im D-Zug nach Hause, ein Sechserabteil für mich allein – herrlich!
Irrtum – ein Mann steckt seinen Kopf herein: „Ist hier noch frei?“
Ein Mann?? Moritz Bleibtreu!!
Wow, ein Schuss Adrenalin ist nur der Vorname für das, was ich gerade spüre:
Moritz Bleibtreu – Wahnsinn!
Vielleicht kann ich ihn ansprechen und für meine Kleinkunstbühne gewinnen.
Er setzt sich mir schräg gegenüber…
Diiiiese Gelegenheit bekomme ich nie wieder !
Also durchatmen und: „Äh – darf ich Sie etwas fragen?“
Ein Nicken, begleitet von der einladenden Geste, mich zu ihm zu setzen, denn der Zug rattert echt laut.
„Dankeschön“ sag ich brav setze mich zu ihm.
„Sie sind doch Moritz Bleibtreu, und da wollte ich Sie....“
„Nein“, unterbricht er, „bin ich nicht.“
Bitte????
„Natürlich sind Sie Moritz Bleibtreu“, erkläre ich forsch in allerschönster Basta-Manier.
Kopfschütteln und ein herzliches Lächeln.
„Doch, sind Sie“, ich klinge jetzt ein bisschen bockig – und denke: Was soll denn das jetzt? Was ist denn mit deeem los?
Er „Wirklich nicht“.
„Aber Sie sehen genauso aus“, mein völlig überzogenes Triumphgeheul führt lediglich zu einem achselzuckendem „Hm“ seinerseits.
Und als ob es nicht langsam reicht, füge ich – nun allerdings schon dümmlich stammelnd – hinzu:
„Ich ähm, wollte Sie nämlich kaufen“.
Schmunzeln.
Endlich falle ich aus meiner Begriffsstutzigkeit – und gleichzeitig vor Scham fast in Ohnmacht. Ich war mit sooo sicher!!
Ich fühle, wie ich knallrot anlaufe. Was für eine Blamage, wie unendlich peinlich. Lieber Gott, bitte lass mich jetzt sofort tot umfallen oder wenigstens in den Erdboden versinken, bitte!!
Natürlich tut der liebe Gott nichts dergleichen – ich muss allein raus aus dieser unsäglichen Lage. Mit einem gemurmeltem „tschuldigung“ schleiche ich wie ein geprügelter Hund auf meinen Platz.
Quälend langsam tropft die Zeit...wann kann ich endlich hier raus?
Jetzt – Erfurt!
Ich verabschiede mich zerknirscht und flüchte förmlich aus dem Zug.
Und fühle mich wie ein Vollidiot.
Die Freunde zu Hause sind natürlich amused;
Susi hakt nach: „Bist Du sicher, dass es der Bleibtreu war?“
„Na klar, die Riesenohren kennt doch jeder, das war er – definitiv“, meine Entrüstung ist förmlich zu greifen.
„Sag' mal“, stutzt sie, „kann es sein, dass Du Dominique Horwitz getroffen hast??“
Augenblicklich trifft mich der Schlag in Gestalt einer deftigen Klatsche gegen meine Stirn.
Dominique Horwitz – natüüürlich!!
Genau der war's und ihn hatte ich auch gemeint.
Nun wäre die Geschichte hier eigentlich zu Ende, aber sie hat noch ein Happyend.
Monate später:
Der Schauspieler Dominique Horwitz ist zu Gast in dem Veranstaltungszentrum, das ich leite.
Er wird klassische Texte vortragen, begleitet von einem philharmonischen Orchester.
Die Veranstaltung ist ausverkauft.
Schon Tage vorher bin ich in schönster Aufregung – ich werde mich entschuldigen. Jawohl!
Nachdem ich ihn freundlich begrüßt habe – als Chefin des Hauses gehört sich das ja sowieso – nun meine alles entscheidende Frage:
„Erinnern Sie sich an eine Begegnung im Zug, als Sie jemand mit Moritz Bleibtreu ansprach?“
Langsam zieht ein breites Grinsen von einem Riesenohr zum anderen.„Aber ja, natürlich“, lacht er. „Und dieser Jemand waren Sie, liebe Frau Schulze."
Cornelia Tomski: Begegnung
Egapark Eingang Treffpunkt.
Ich bin zu früh.
Abendstimmung unterm Laubwerk im Wind. Streicheleinheit für die Seele.
Freude, meine Freundin am Eingang.
Spaziergang am Abend, Austausch, Anregung für den Geist.
Begegnung.
Wachstum im Egapark.
Cornelia Tomski: Der Mond
Charmant,
Ohne
Regungen.
Nachtgedanken
Erwachen.
Lichtgeflutet
Im
Abendhimmel.
Cornelia Tomski: Persönlichkeit
Persönlichkeit im Kern, wie bei einer Kirsche.
Verletzbarkeit als Mensch und doch mit beiden Beinen auf dem Boden, Erdung gibt Halt.
Verstand ohne Kopfmensch zu sein.
Verlässlichkeit, gibt mir Sicherheit.
Freundschaft und Wachstum über Grenzen hinweg.