Stadtgoldschmiedin 2007: Helen Britton – Tagebuch
Ich interessiere mich für die handwerklichen Traditionen der Thüringer Region, insbesondere für das Glashandwerk.
Ich bin in Australien aufgewachsen mit einer kleinen Sammlung an Glastieren und Weihnachtsbaumschmuck aus Glas, die aus dem alten Europa den weiten Weg in die neue Welt gefunden habe. Es war mir damals bereits klar, dass diese Kindheitsschätze von ganz woanders herkamen, als wo ich lebte; sie waren romantisch, hoch exotisch, märchenhaft.
Und jetzt bin ich hier, aus dieser so anderen Welt hergekommen.
Diese Beobachtungen will ich in meiner eigenen Arbeit umsetzen.
Ich möchte innerhalb dieser drei Monate Möglichkeiten des Materials untersuchen, Verbindungen finden und eine kleine Gruppe von Schmuckstücken machen.
Aus der Sicht einer "Neue-Welt-Künstlerin" will ich dieses Handwerk betrachten und interpretieren, meine Kindheitserinnerungen, die ästhetische Qualität des traditionellen Glashandwerks und die neue Begegnung mit ihm - die mit Ihrem Stipendium verbunden wäre - in diese Arbeiten einbauen.
Ich habe bis dahin viel mit alten Glassteinen aus der Schmuckindustrie gearbeitet; es interessiert mich besonders, eigene Teile herzustellen oder eigene Entwürfe herstellen zu lassen.
Helen Britton hat ihr Quartier in der Kleinen Synagoge bezogen und die Schlüssel für die Goldschmiedewerkstatt der Künstlerwerkstätten in den Händen – erste Kontakte zu ansässigen Künstlern sind geknüpft oder wieder aufgefrischt, Erkundungstouren mit Fahrrad und Digitalkamera geplant.
Die in München lebende Australierin ist verzaubert von Erfurt, auf das sie sich schon wochenlang gefreut hatte, und begeistert von den Arbeitsmöglichkeiten.
Hallo Stadt Erfurt!
Wie toll endlich hier zu sein. Das Wetter hat mich lieb begrüßt und die Leute auch - meine kleine Wohnung ist mit Blumensträußen geschmückt und die Werkstatt ist eingeräumt. Aber man kann nicht das Wort "Werkstatt" erwähnen ohne ein bisschen zu schwärmen!! Deine Künstlerwerkstätten, liebe Stadt Erfurt - was für ein Schatz!!
Großzügige Projektideen, wie das Angebot "Erfurter Stadtgoldschmied"
brauchen großseelige und visionäre Leute - und das hat sich weiter bestätigt in den Künstlerwerkstätten – die sind einfach so toll!! Es ist wirklich eine Auszeichnen für ein Stadt, dass sie so etwas wie diese Werkstätten anbieten kann – Großartig!!
Der Radweg entlang der Gera zur Arbeit ist sehr angenehm, und das Rad dabei zu haben war die beste Entscheidung überhaupt. Ob ich so weit komme wie nach Lauscha mit dem Rad werden wir sehen.
Foto rechts: Helen Britton im Interview mit Antje Kirsten, MDR
Zu Lauscha und das Thema Glas werde ich bald weiter sprechen und zeigen, aber nach allen Veranstaltungen und Ankommensarbeit bin ich bloß bis jetzt nun in den kleinen Laden an der Krämerbrücke, und das ist schon für mich ein Schritt in ein andere Welt! Merken halt und manchmal bizarr – genau die Stimmung die ich suche. Nabendran läuft meine kleine Begrüßungsausstellung seit Montag bei der VBK (das war aber eine Glasscheibenputzerei!) Es war toll, die Leute kennen zu lernen und danach das Café Nerly zu entdecken.
So liebe Stadt Erfurt, Ich mach mich jetzt auf die Socken und erzähle weiter in einer Woche.
Bis dann, deine Stadtgoldschmiedin, Helen.
Liebe Stadt Erfurt,
Wie geht's dir denn? Ein bisschen kalt und nass, aber das stört eine Stadt nicht so sehr. Und Ich, fragst du… Na ja, manchmal ist das Leben ein bissel streng. Das Wochenende war voll mit Fotografieren in München, um einen abgestürzten Computer kümmern, ein bisschen Zeit mit meinen Jungs zu verbringen und so flott wie möglich zurück zu dir zu kommen, und die letzten Details zu organisieren für das kommende Wochenende. Aber so sieht das Leben einer zeitgenössischen Goldschmiedin aus – kein Kinderspiel, kein Hobby mäßiger Spaß – für jeder Ausstellung gibts nicht nur die Stücke, sondern auch die Fotos, die Preislisten, die Pressetexte, die Bilder fürs Internet, Einladungskarten und Publikationen für das Erscheinen der Künstler zur Eröffnung, fast egal wo das ist, und dazu das man was einigermaßen Gescheites sagen kann spontan über die Stücke. Nach der Sache in Amsterdam habe ich in Mai, Juni, Juli fünf weitere Gruppenausstellungen, München, Pforzheim, Barcelona, Indiana und irgendwo anders (keine Ahnung mehr) aber weißt du was? Ich gehe nicht da hin! Ha!! Nein, nein, liebe Stadt Erfurt, ich bleibe bei dir, verstecke mich in der Kleinen Synagoge oder in den tollen Künstlerwerkstätten, und arbeite an meinem Projekt in aller Ruhe!! Was für ein Traum!
Und zu dem Projekt kann ich auch ein bisschen sagen. Aber nur ein bisschen, weil für mich ist das schön, besonderes am Anfang, eine sehr privater, fast unterbewusster Prozess, der langsam wächst, aber nur wenn ich es nicht direkt anschaue, nur mit einem Seitenblick so zu sagen. Ich bin jetzt auf den Spuren der Exotik und finde überall kleine Details die dazu gehören, die was unheimliches, fremdes, fast Magisches ausstrahlen, genau wie die Glasvögel meiner Kindheit. Ich sammle diese Details und lass die auf mich wirken, habe anfangs ideal und mach mich nächste Woche auf die Socken nach Lauscha (von Amsterdam aus! Tolle Umstellung, gel!?!!). Ich bin sehr gespannt und auch sehr überzeugt dass die Spuren stimmen.
bis bald Stadt Erfurt
deine Stadtgoldschmiedin
Helen
Liebe Stadt Erfurt,
ich hoffe es dir gut geht! So at last die große Ausstellungseröffnung (siehe Foto von die Ausstellung und die Stücke die in den Künstlerwerkstätten gemacht wurden und Besuche http://www.louisesmit.nl/) ist vorbei und ich kann entspannter die Exotik in Thüringen aussuchen und genießen, aber wo warst du Stadt Erfurt bei meinem Tag der offenen Tür? Das war eine nette Sache, und auch ein Aufwand, aber die Menge der Besucher war schon sehr gering. Na ja Stadt Erfurt – interessierst du dich für Schmuck oder nicht?
Gott sei Dank konnte ich am nächsten Tag mich verschönern mit einer meiner Lieblingsspeisen, der berühmten Thüringer Bratwurst, dank der Familie Lindner. Eine Wurst hat mich sogar als leckerer Frühstückssnack auf meinen Weg nach Amsterdam begleitet, das war ein großartige Empfehlung von Felix. Und jetzt nach Lauscha, bis Wochenende bin ich im Mekka der Glashandarbeit und bin auch sehr gespannt.
Die Projektideen wachsen jetzt schnell, und ich freue mich sehr auf eine konzentrierte nächste Woche in den tollen Künstlerwerkstätten zu verbringen, und anzufangen die Ideen umzusetzen.
Dazu fange ich an, Geheimnisse von dir, Stadt Erfurt, zu fotografieren, kleine und größere Details die deuten an versteckte Geschichten… wo die mich hinführen werden mit der Arbeit bleibt auch momentan ein Geheimnis.
bis bald liebe Stadt Erfurt
deine Stadtgoldschmiedin Helen
So meine liebe Stadt Erfurt,
deine Enten freuen sich sehr auf den vielen Regen, deine menschlichen Bewohner nicht alle so sehr, aber schlussendlich ist Regen gerade eine gute Sache.
Ich habe dich verlassen eine Weile und zum Glück war das Wetter wunderbar! Ich war in Lauscha!!! So toll!! Wo soll ich anfangen…
Ich habe dort sehr schön gewohnt – bei Gollo – sehr zu empfehlen – und so eine feine gebackene Forelle aus der Wirtschaft des Hauses kriegt man selten.
Abb. rechts: Helen Britton ist fasziniert von den Lauschaer Glaskugeln
Die Werkstätten waren fantastisch für mich zu besichtigen, wirklich ein Traum zu erfahren wie genau der Weihnachtsbaumschmuck gemacht wird, und dann wäre es auch möglich bis jetzt zwei sehr liebe Menschen, der Herr Greiner-Petter, und der Herr Hänlein zu überzeugen was für mein Projekt zu machen. Das war und ist immer noch so eine Freude! Also in zwei Wochen muss ich wieder hin, die Musterteile anzuschauen, und dann kriegt mein Projekt richtig Form.
Liebe Stadt Erfurt – Ich habe eine Frage – Kennt Ihr das tolle Museum in Lauscha? Ich hoffe doch schon, sonst wäre das ein Schande… mehrere Stunden habe ich verbracht in dieser Sammlung und der sehr nette Museumsleiter, der Herr Schlüter hatte mir und meinem Kumpel, den Felix Lindner, den Fundus dort zu zeigen!! Da haben wir jetzt schon einen Termin.
Dazu kam der sehr nette Besuch bei der Familie Müller-Sachs, und dazu ein großartiges Geschenk – eine Schachtel voll mit bezauberten Glasscherben von kaputtgegangen Gefäßen – und Stadt Erfurt sie wissen sicher schon wie wunderschön die Gefäße sind von Herrn Herbert Müller Sachs Natürlich!!! So ich habe wirkliche Schätze auch schon zurück bringen können.
Nebenbei verfolge ich Stadtgeheimnisse und Unheimlichkeiten von dir Stadt Erfurt immer noch.
Und jetzt freue ich mich sehr auf eine ruhige fokussierte Woche in den tollen Künstlerwerkstätten,
Bis dann … Deine Stadtgoldschmiedin Helen
Liebe Stadt Erfurt,
das war aber eine wunderschöne Woche! Ruhig und viel Arbeit, mit ein paar schönen Ablenkungen. Die Arbeit kommt jetzt klar im Kopf, und braucht nur Umsetzung, da bin ich gut dran, und dann konnte ich einen Tagesausflug machen zu einer meiner Lieblingsmuseen – die Wunderkammer der Franckeschen Stiftung Halle – nun die Menge von Ungeheure dort zu fotografieren.
Einen lustigen Ausflug mit Frau Dr. Lindemann entlang der Gera hat sehr gut getan, beim Lange Nacht der Museen war ich kurz unterwegs, und habe das tolle Naturkundemuseum am meisten genossen. Jetzt steht es hoch auf meiner Liste für einen längeren Besuch.
Und schlussendlich haben wir in den tollen Künstlerwerkstätten gegrillt!!! Ja! Ein wichtiges kulturelles Verbindungserlebnis. Aber jetzt Stadt Erfurt, ich muss dich was sehr ernsthaftes fragen – Warum haben die Werkstätten keinen eigenen Grill??? Ich finde das ein Ungezogenheit, und gleich benutze ich diese Gelegenheit die Stadt zu bitten einen Grill für die Werkstätten zu spendieren – Ich erwarte auf meiner E-Mail-Adresse eine baldige Antwort, und lade die großzügigen, die den Grill spendiert, zur festlichen Einweihung des Gerätes.
Na ja sonst arbeite ich viel, bin ab und zu ein bisschen einsam und merke, dass die Ideen zur Geburt bereit sind. Geheimnisse gibt's immer noch zu sehen. Schauen wir mal, dass ich damit eine Geschichte bauen kann.
Bis bald liebe Stadt!! Deine Stadtgoldschmiedin Helen
Liebe Stadt Erfurt,
na! bis jetzt keine einzige Meldung und kein Grill!! Bist du überhaupt da? Wie geht es dir? fragst du. Wie nett das jemand nachfragt – ja gut danke!
Es geht jetzt wirklich los mit der Produktion der Stücke, die Bilder sind auch zu größten Teils gedruckt und morgen fahre ich nach Lauscha, die Musterteile anzuschauen und die erste bestellten Gläser abzuholen. Darauf freue ich mich sehr.
In die Künstlerwerkstätten sind die Experimente soweit umgesetzt und ich bin glücklich mit der allgemeinen Richtung des Projekts. Ich merke aber, dass das, was ich mache, ist nur der Anfang und ist auch etwas künstlich getrieben zu Resultaten wegen der Bedingungen der Stelle "Stadtgoldschmiedin". Ich sehne mich nach der Zeit danach, wenn ich das in Ruhe und in meinem eigenen Rhythmus weiter entwickeln kann.
Sehr spannend ist die neue Beziehung zu zeichnen auf Glas und auch auf Papier, und ich hoffe sehr, dass die kleinen und zärtlichen Dinge nicht verloren gehen in dem riesigen Saal des Alten Archives.
Sonst wird fest gearbeitet, die Gera fliest wieder mächtig, und ich freue mich auf das nächste Mal…
bis dann deine Stadtgoldschmiedin
Helen
Liebe Stadt Erfurt,
das war eine Woche!!!! Mein Gott, wenn das Leben nur immer so bleiben könnte.
So, ich war in Lauscha – so toll – einen unglaublich reichen Tag mit der lieben Frau Lindemann, und dem super witzigen Herrn Schönemann. Eine große Ehre die Herren Beckman und Koch kennen zu lernen, und eine große Freude, den Herrn und Frau Guttgessel kennen zu lernen.
Noch dazu kam wieder ein Besuch in das tolle Glas-Museum, und danach ein sehr berührend lustiger Abend beim Gasthof Gollo.
Abb. rechts: Helen Britton im Gespräch mit Herr Greiner-Petter über die ersten fertigen Glastiere.
Am folgenden Tag konnte ich die ersten Resultate vom sehr lieben Herrn Greiner-Petter abholen, mit Begleitung Felix Lindner, der nach Lauscha gereist ist, mit mir den Tag zu verbringen. Die Tiere von Herr GP sind fantastisch, und jetzt bin ich sehr fest dran, eine würdige Umsetzung damit zu machen.
Felix und ich waren dann wieder in den Museum bei Herr Schlüter und das war aber ein interessantes Gespräch. Was da alles heraus kommt, müssen wir nun abwarten!
Danach gingen wir zu Herrn und Frau Hänlein, auch die ersten Resultate abzuholen – wieder super tolle Dinge. Ich bin so dankbar, dass die Leute sich so bemüht haben die Sachen fertig zu machen, das ich weiter arbeiten kann. Das ist wirklich eine sehr schöne und berührende Erfahrung.
So jetzt liegen alle Teile in den Künstlerwerkstätten und die erste zwei Stücke sind dazu jetzt auch fertig. Wirklich eine große und spannende Freude für mich.
Inzwischen war ich wieder auf den tollen Flohmarkt, und habe Kirschen gepflückt in Familie Lindners Garten (Kirschen pflücken wird ein super exotisches Erlebnis bleiben mein Leben lang).
Einfach Klasse meine liebe Stadt!!!!!!
Ein paar Geheimnisse habe ich auch wieder gefunden, und in Lauscha habe ich bemerkt die visuelle Beziehung zwischen dem Wald und dem Schiefer…
also bis bald – deine Stadt-Goldschmiedin Helen
Liebe Stadt Erfurt,
nach einer ruhigen Woche sind jetzt vier Stück bereits fertig, und die Zeichnungen entwickeln sich sehr schön.
Ich genieße die Stadt sehr und merke wie die Zeit jetzt 2/3 vorbei ist, dass es schwierig wird, sich zurück zu ziehen nach hektisch großem München.
In der kommenden Woche fahre ich nach Lauscha, die letzten beauftragten Elemente abzuholen, und darauf freue ich mich sehr.
Also diese Woche gibt's nicht so viel zu erzählen. Arbeit, tolle Stadt, einfach schön.
Bis bald!
deine Stadtgoldschmiedin Helen
Liebe Stadt Erfurt,
Also – noch eine wahnsinnige Woche – ein kurzer Ausflug nach München und dann ein letztes Mal nach Lauscha.
Es hat geregnet - wirklich ab und zu geschüttet – aber wieder so eine spezielle Zeit. Die Glasteile sind sehr schön geworden, und sind für mich eine große Herausforderung umzusetzen, aber dadurch komme ich doch auf neue Ideen – wenn man sicher und klar ist, ist man bei dem Gewöhnlichen geblieben.
Ich sehe die Arbeiten die ich hier mache als Projektarbeit. Die sind für mich sehr spannend weil ich die noch nicht verstehe und weiß das ich davon immer noch sehr viel lernen kann. Die sind wie Schatten die man nur aus dem Augenwinkel anschauen kann – wenn man geradeaus daran geht, dann verschwindet alles – insbesondere die Magie.
Ich kam her mit einer sehr romantischen Idee über Glas, Weihnachten, den Wald – sehr märchenhaft – und das bleibt teilweise – eine zauberhafte Gegend, der Thüringer Wald. Aber dazu kommen sehr viele Geschichten von Verlust, Entwertung und Verzweiflung, und ich bin davon sehr berührt. Wie ich damit umgehe, weiß ich noch nicht.
Im Moment kann ich nur meine ursprünglichen Fantasien zelebrieren, und sei lebenslang dankbar, dass die Leute in Lauscha, insbesondere Herr Greiner-Petter und Herr Hänlein – bereit waren mir zu helfen mit ihrem fantastischem handwerklichen Können und meine gewünschten Teile herzustellen. Man muss auch dazu sagen, dass die Gaststätte Gollo bleibt unvergleichbar toll.
So jetzt den letzten Zug her nach Erfurt – die vier Wände der Künstlerwerkstätten bis zur Ausstellung.
Jetzt bin ich dran bis bald
deine Stadtgoldschmiedin Helen
Liebe Stadt Erfurt,
noch eine dichte Woche hinter mir, und meine Zeit hier ist fast zu Ende.
Der Besuch in Lauscha letzte Woche ist immer noch sehr in meinen Gedanken, und ich bin sehr dankbar für die Hilfsbereitschaft der Menschen dort. Ich habe jetzt die Fotos dazu bekommen von Gabi Green die mich begleitet hat bei diesem Besuch. Die ersten fertigen Schmuckstücke habe ich dem Herrn Greiner-Petter gezeigt, und der fand die in Ordnung – das war für mich auch wichtig.
Danach haben wir einen extrem interessanten Besuch im Lager des Angermuseums mit der sehr netten und informativen Frau Dr. Krautwurst.
Herr David Bielander ist von der Berg Giebichenstein in Halle gekommen um das mit anzuschauen. Rolf Lindner hat sich auch dazu bereit gemacht und konnte uns viel erzählen über die beeindruckende Sammlung von zeitgenössischem Schmuck. Die Sammlung an Stücken aus den DDR-Zeiten ist wirklich einmalig, und ein wichtiger Schatz weil sie die Geschichte von Schmuck in dieser Zeit zeigt. Die Stücke von den entwickelten Aufträge sind unersetzbar wertvoll. Wie schade, dass die regelmäßigen Ankäufe vom Schmucksymposium aufgehört haben, das hat ein wichtige und einmalige Sammlung unterbrochen. Aber das Loch ist noch nicht zu groß …
Dank der lieben Frau Beeser konnten wir die alte Synagoge besichtigen, und das war sehr beeindruckend. So unglaublich!! Und mittendrin gesandwicht! Die Stimmung im Tanzsaal oben ist eine sehr besondere, und ich hoffe, dass was davon übrig bleibt nach der Renovierungsarbeit.
Samstag war Flohmarkt, und als mein Freund zu Besuch war haben wir uns überreden lassen ein Hund zu kaufen welchen du in dem Foto siehst …
Und sonst geht's jetzt zum Endspurt, letzte Stücke machen, letzte Zeichnungen, Fotos ausdrucken, Faltblatt fertig machen, Schluss mit lustig, Boden putzen, und mich freuen auf den Besuch des OBs am Donnerstag also, meine liebe Stadt mehr darüber nächstes Mal
bis dann deine Stadtgoldschmiedin
Helen
Liebe Stadt Erfurt,
Hast du die Hitze gut überstanden?
Ich leider nicht. Nach einer sehr schwierigen und stressgefüllten Woche bin ich jetzt, das erste Mal seit sehr langer Zeit richtig krank. Irgendeine Grippe hat es dazu gebracht, dass ich jetzt einige Tage wirklich im Bett bleiben muss.
Man merkt in so einer Situation wie die vergangene Woche, dass man doch nicht hier zu Hause ist. Es fehlen die Freunde, Kollegen, professionelle und emotionale Unterstützung. Aber alles ist gemacht und bereit für die Ausstellung und ich glaube das ist die Hauptsache für dich, Stadt Erfurt.
Und natürlich ist der Oberbürgermeister gekommen (der Stress hat nichts mit Ihnen zu tun, Herr Bausewein, falls Sie das jemals lesen) Und es war eine nette, obwohl etwas angespannter Besuch. Ich muss mich immer fragen wie ist es für einen Menschen aus so einer anderen Welt, meiner Welt zu begegnen. Ich stelle immer die Fragen: Werde ich ernst genommen? Ist es überhaupt möglich zu vermitteln für das was ich mache?
Die lange erwarteten Einladungskarten sind jetzt auch anscheinend bereits geschickt, und ich bin gespannt auf die Ausstellung. Der Ausstellungsaufbau liegt immer noch vor mir und ich hoffe sehr, dass das nicht zu stressig wird. Ich schicke diese Woche als Bilder das erste Schmuckstück das direkt zum Projekt gehört weil sie schon auf der Karte steht.
Das ist das Stück mit dem blauen Vogel, wo die ganze Geschichte angefangen hat. Dazu als Bild zeige ich einen Teil des kleinen Altars, den ich gebaut habe in meiner Wohnung in die Kleinen Synagoge. Der Altar besteht aus Stücken von Lauscha und von dem tollen Flohmarkt das es hier in Erfurt gibt. Für mich ist der Flohmarkt einer der größten Inspirationsorte (neben dem Supermarkt) von einer Stadt. Durch einen Flohmarkt lernt man die Leute kennen, man sieht in ihre Wohnungen, durch den alten Kram der mal darin gestanden hat, man spürt das alltägliche Leben eines Volks durch die benutzten alltäglichen Gegenstände, man kommt ins Gespräch über die Sachen die rumliegen und die Leben des Menschen auf eine Art und Weise das nirgendwo anders möglich ist als auf einem Flohmarkt. Für mich eine sehr zentrale Erfahrung und daraus besteht ein großer Teil meines häuslichen Inhalts.
Am Wochenende war ich Gott sei Dank kurz in Halle zur Jahresausstellung Burg Giebichenstein, und konnte mich erholen in der guten Gesellschaft meiner Freunde und Kollegen dort. Die Ausstellung von der Schmuckklasse war wirklich ausgezeichnet. Dazu habe ich ein brillantes Puppenspiel sehen können von der Tschechischen Gruppe "Buchty a Loutky" (http://www.divadlo.cz/buchty).
Wenn es Platz gib auf meinem Tagebuch dieses Mal dann sieh die bedrohten Igel das jemals war!! Zum Schreien!!!
So meine liebe Stadt, ich verlass dich wieder für mein Bett und hoffe, dass der Rest meines Aufenthalts mit Freude und guter Gesundheit zu Ende gebracht werden kann.
deine kranke Stadtgoldschmiedin
Helen
Abb. rechts: "Ein Igel zum Schreien" (Helen Britton)
Liebe Stadt Erfurt
So die letzte Woche!!
Die Ausstellung steht bereit und wir haben noch eine erlebnisreiche Woche hinter uns.
Ich war bis mehr oder weniger Freitag ziemlich erledigt mit einer schrecklichen Grippe.
Donnerstag kamen Linda und Louise zu mir in die Werkstatt einen kleinen Praktikumstag zu machen, und das war sehr nett, aber auch total viel, und ich habe es bemerkt, dass ich nicht mehr schaffen kann an den Stücken für die Ausstellung. Die Power war einfach raus, und das war auch etwas traurig. Freitag ging es an den Werkstattabschluss, und wieder einen Teil des Tages ins Bett. Zum Abend kam die liebe großartige Familie Lindner zum Grillen, und das hat mich sehr gefreut.
Samstag war Abholung der Sachen von der Werkstatt, ein bisschen herzzerreißend, aber danach haben Felix Linder und ich Weimar besucht, die wichtigen Sachen angeschaut, und einen herrlichen Spaziergang in den Schlosspark gemacht.
Und dann der Sonntag. Wow. Ich war einigermaßen wieder auf den Beinen, und zum letzten Mal während meines Aufenthalts in Lauscha – das war so ein schöner Tag – den Gunter Knye formal kennen zu lernen, die interessante Ausstellung im Museum in Lausch zu sehen, die Familie Precht kennen zu lernen, die tollen Arbeiten von Albin Schädel zu besichtigen und am Ende des Tags beim Gollo noch eine Forelle zu essen, alles mit der unterhaltsamen, informativen und lustigen Begleitung der lieben Frau Dr. Jutta Lindemann und des charmanten Herrn Schönemann. Das war ein Tag wie eine Woche, unvorstellbar schön, reich – einfach nicht zu vergessen.
Und dann der Ausstellungaufbau – alles gut vorbereitet, und dann reißen die Schienen ab!!! Na ja ein bissen Drama muss sein, sonst wird man einschlafen!!
So meine liebe Stadt – bitte genieße meine Ausstellung und die Texte, die Ich dazu geschrieben habe – die sind mit lieber Freude und Ernsthaftigkeit gemacht, und die ist auch für dich gemacht!
Es war so toll bei dir zu sein, der Anfang eine langen Beziehung.
bis bald Stadt Erfurt und macht's gut!!!
deine Stadtgoldschmiedin 2007 Helen
Helen Britton
Schulstraße 28
80634 München
Germany
Home 00498913012562
Studio 00498951262976
Ein fremdes Tier im Märchenwald
Der belgische Symbolist Maurice Maeterlinck reüssierte um 1900 mit einem bildgewaltigen philosophischen Märchen, das die etwa 50 Jahre zuvor von Novalis geprägte Sehnsuchtsfarbe der deutschen Romantik mit einem vertrauten Symbol des menschheitsewigen Traums nach Freiheit und Himmelsnähe verbindet.
Zwei Kinder verbünden sich im Auftrag einer Fee und mit einem zauberkräftigen Diamanten (sic!) ausgestattet, mit dessen Hilfe man die Seelen der Dinge sehen und zum Leben erwecken kann, mit ihren Haustieren und den Dingen ihres alltäglichen Lebens wie Licht, Wasser, Feuer, Brot und Zucker, um eine sagenhaften blauen Vogel zu finden, der die Macht besitzen soll, die Suche nach dem Geheimnis aller Dinge zu beenden, um so das Glück finden zu können.
In ihrer hoffnungsvollen und abenteuerlichen Wanderung durch die Welt – durch das Land der Erinnerung, wo sie ihre toten Großeltern und Geschwister treffen, den Palast der Nacht, die die Übel, Schrecken, Krankheiten und Kriege hütet, aber auch einen herrlichen Wundergarten mit Mond, Planeten und Nachtigallengesang bewacht, durch einen tiefen Wald, wo die Seelen des gesamten Baum- und Tierreichs die Kinder als Vertreter der naturbeherrschenden Menschheit erschlagen wollen, oder über den Friedhof, der sich als ein wunderbarer Zaubergarten erweist, denn das Totenreich existiert nicht – begegnen sie dabei immer wieder Kräften, die sie unterstützen ebenso wie solchen, die gegen sie arbeiten, und erfahren schließlich die Enttäuschung, den geheimnisvollen Vogel nirgendwo entdecken zu können – auch nicht im Garten der Freuden und des Glücks oder im Reich der Zukunft. – bis sie nach Hause zurückkehren und ihn genau dort zu finden, wo sie ihn zuallerletzt vermutet hätten – und letztlich in sich selbst.
Auf so eine ebenfalls ziemlich abenteuerliche Suche nach einem blauen Weihnachts-Glasvogel aus ihrer Kindheit begab sich die aus der Konkurrenz von 12 Bewerbern aus ganz Deutschland siegreich hervorgegangene in München lebende Australierin Helen Britton vor drei Monaten mit ihrer Projektidee, Glas aus den Traditionswerkstätten im thüringischen Lauscha in ihr zeitgenössisches, international vertretenes Schmuckkonzept zu integrieren.
Als fremdes Tier aus der Ferne machte sie sich auf den Weg, einen von ihr exotisch empfundenen Märchenwald zu entdecken und ein Stück weit sogar zu erobern – und wenn es auch nur die Herzen einiger Lauschaer Glasbläser sind …Dem Risiko des Scheiterns begegnete sie mit dem Mut des Kreativen, und ihrer besonderen offenen Persönlichkeit verdankt sie, dass eine Nähe entstand, die die Zeit in Erfurt überdauern wird und beste Voraussetzung ist für weitere gemeinsame Wege.
Einer Landeshauptstadt steht es nicht nur gut zu Gesicht, sich alle zwei Jahre einen Stadtgoldschmied zu leisten, der ihren Ruhm in die Welt trägt, sondern auch, gewissermaßen als kulturelle Vertretung der Region gerade solchen Ideen der Verknüpfung zwischen Stadt und Region, Tradition und Innovation Raum zu geben.
Ausgerüstet mit einem Stipendium, Arbeitsräumen in den kommunalen Künstlerwerkstätten und Wohnmöglichkeiten in der Begegnungsstätte Kleine Synagoge, gelang es Helen Britton anders als den beiden Märchenkindern bei Maeterlinck auch mit Hilfe vieler guter Geister diesseits und jenseits des Waldes binnen kurzem nicht nur, ihren blauen Vogel zu finden – jedenfalls fürs erste – sondern ihm eine neue, eigenwillige Gestalt zu verleihen, entstanden unter den Händen des Lauschaer Glasmeisters Helmut Greiner-Petter, und dem fragilen, flatterhaften Geschöpf darüber hinaus sogar eine neue Heimat zu schaffen: ein Nest aus mattem, dunklem Silber, besetzt mit glitzernden Diamanten, das kleine blaue Glaswesen kostbar umhüllend wie eine Aureole. Eine vorläufige Heimat jedenfalls – denn wie Vögel halt so sind … Und wie Künstler halt so sind …
Bei ihrer Wanderung durch den mitunter recht skurrilen und bizarren Märchenwald in Erfurt und Lauscha hielt sie allerlei merk- und denkwürdige Beobachtungen und Begegnungen in über 700 Fotos fest, skizzierte und zeichnete – sogar auf Glasscherben – und schrieb ein Online-Tagebuch. Nicht so ganz zufällig liefen ihr dabei noch ein paar andere Gestalten aus der Welt der Mythen und Märchen über den Weg und ließen sich willig einfangen – nunmehr edel verwahrt in wunderbar winzigen Behältnissen ebenfalls aus Silber und Diamanten, individuell und raffiniert konstruiert in höchster technischer Perfektion: der düstere Wolf, ganz ohne Rotkäppchen und Geißlein, doch nicht minder furchterregend hinter Gestrüpp hervorbrechend, einer der sieben Raben wie gekrönt thronend in stolz aufragendem Gelass und das feuerflammende Pferd, auf dem gelegentlich Prinzen heranreiten, um Hoffende und Harrende in das Land "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute" zu entführen – oder sie zum Narren zu halten. Begleitet wird die magische Glasmenagerie von Lauschaer Phantasiegeschöpfen wie dem kecken Flaschenteufel, der sich unversehens funkeläugig um den Finger wickelt, einem anonymen Hörnerwesen ähnlicher Provenienz, das angriffslustig seinen Hauptschmuck über unsere Hände recken will, und – mit Blick auf unausweichlich Kommendes – einem diamantfunkelnden Baumkugelring – vielleicht gedacht für die Schlittenlenkerpranke des Weihnachtsmannes? Oh du fröhliche …!
Helen Britton, fremdes Tier aus der Ferne, hat zunächst mit ihren neu gewonnenen tierischen Gesellen schadlos dem Thüringer Märchenwald entkommen können – jedenfalls ohne äußerliche Blessuren, allerdings auch nicht, ohne Spuren zu hinterlassen, an denen wir sie künftig wieder dingfest machen können, wenn wir wollen – und ich denke, wir wollen!
Infiziert mit dem mystischen Thüringen-Rückkehr-Virus scheint sie nämlich zu sein, denn nicht nur als gesetzte Teilnehmerin und Mitorganisatorin des Erfurter Schmucksymposiums 2008 in den Künstlerwerkstätten (die es also dann und immerdar unbedingt in voller Funktionsfähigkeit noch geben muss, muss und muss!!!) wird sie gelegentlich wieder ihrer besonderen Leidenschaft, der Original-Rostbratwurst, frönen dürfen – nein, auch die Liebe zum Lauschaer Glas lässt sie nicht los, und so werfen künftige Ereignisse bereits jetzt lange Schatten voraus.
Der blaue Vogel nämlich hat, das weiß ich mit Gewissheit, ein Rückflugticket!
Erfurt, 25.07.2007
Dr. Jutta Lindemann
"Tiere aus der Ferne" – Erfurter Stadtgoldschmiedin 2007 Helen Britton im Rathaus – Altes Archiv – am 25.07.2007
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Helen,
ich freue mich, dass ich diese Rede halten darf, als Freund, als Goldschmied, und sogar als ehemaliger Stadtgoldschmied der Stadt Erfurt … und in gleicher Funktion bin ich sehr zufrieden zu sehen, dass die Stelle des Stadtgoldschmieds der Stadt Erfurt offensichtlich quicklebendig weiterexistiert.
Aufgabe dieses Stipendiums der Stadt Erfurt ist es, dass es zum einen dem Künstler, naja, ich idealisiere und zitiere aus dem Lexikon der Kunst, Seemann Verlag Leipzig,
„ein sorgenfreies künstlerisches Schaffen ermöglicht“, – im Gegenzug ermöglicht es der Stadt ihr Ansehen zu heben. So oder so ähnlich könnte man das Prinzip der Kunstförderung seit vielen Jahrhunderten beschreiben.
Natürlich gibt es auch eine Ebene, die viel direkter existiert in Form von Präsenz, persönlichen Kontakten, Gesprächen oder Ausstellungen, weswegen wir gerade hier sind. Die Zeit vergeht allerdings schnell und ich möchte bemerken und daran erinnern, dass in meinen Augen nicht allein der „Import“ einer Künstlerpersönlichkeit mit allem, was diese in 3 Monaten zu geben vermag, sondern vor allem der „Export“ – nämlich das, was der Künstler aus Erfurt an positivem in der Welt zu berichten weiß, nachhaltig zum Gelingen dieses Konzeptes beiträgt.
Helen Britton und ich kennen uns seit etwa zehn Jahren, wir haben in München an der Akademie der Bildenden Künste zusammen studiert, und ich glaube, wir sind in dieser Zeit auch gute Freunde geworden.
In den zehn Jahren, in denen ich Helens künstlerische Entwicklung verfolgen konnte, hat sie sich kontinuierlich zu einer der international renommiertesten Schmuckkünstlerinnen entwickelt. Ihre Arbeiten befinden sich in bedeutenden Schmucksammlungen unter anderen in der Pinakothek der Moderne, München, im Stedelijk Museum Amsterdam, im Schmuckmuseum Pforzheim, in der National Gallery of Australia.
Apropos Schmucksammlung – ich glaube, eine wesentliche zeitgenössische Schmucksammlung könnte man in Erfurt haben, ich zitiere:
" … danach haben wir einen extrem interessanten Besuch im Lager des Angermuseums mit der sehr netten und informativen Frau Dr. Krautwurst gemacht…" ( siehe Tagebuch, ich habe den Satz über DDR-Schmuck ausgelassen)
An dieser Stelle wird auch deutlich, wofür ein Stadtgoldschmied sonst noch gut ist: Er kann Dinge bemerken, die wir aus Gewohnheit leider nicht mehr bemerkenswert finden.
In ihren fotografischen Skizzen hält Helen Britton unsere Umgebung in Details fest, integriert sie in ihre Arbeit, setzt sie in einen anderen Kontext und macht sie somit für uns neu erlebbar.
Und endlich konnte ich mich mit einer Kollegin über den grünen Mohren austauschen der – in der Andreasstraße, unweit des Pferdes aus rotem Sandstein – ein paar gewaltige Ohrringe trägt.
Helen Brittons Arbeiten sind meistens Broschen und ich schätze an ihnen vieles: zum Beispiel, dass man entweder das ganze Stück von außen betrachtet und sehr zufrieden ist oder alternativ in eine ganze Welt eintauchen kann.
Dann begegnet man:
- Silberblech, in verschiedensten Formen mit unterschiedlich strukturierten Oberflächen, mal graviert, mal eingewalzt, geschwärzt oder lackiert,
- Bruchstücken und alte Schmuckteilen, Schmucksteinen, Glas und Kunststoffperlen, bisweilen zu Clustern vereint – schnell lassen sich die meisten der Gattung bijoux fantaisie zurechnen und in Folge als Blümchen, Perle, Vögelchen, Delphin oder Edelstein benennen.
- dann sind da aber auch Diamanten, Saphire, Rubine und Zirkonia.
Diese Bestandteile vereint Helen Britton mit viel Vergnügen in jeder Arbeit zu einem Mikrokosmos.
Dabei hat sie sich traditionelle Goldschmiedetechniken zu Eigen gemacht, die sie nun mit einer Virtuosität einsetzt, die ich bewundere.
Das Millegriffesrädchen sorgt für zart gepunktete Schnittflächen der Bleche, aus denen sich Helens Schmuck aufbaut: Schichten, Etagen, Schleifen und Bögen sind nonchalant aufeinander gelötet, und keiner würde je an die halsbrecherische Montagearbeit denken, die er vor sich hat. Steine, Rosen und Brillanten sind so gefasst, dass man zuerst Sterne funkeln sieht.
Mit erprobten doch sparsam eingesetzten Mitteln – die Parallelen zu älteren Stücken lassen sich vom Betrachter unschwer nachvollziehen – entstehen kleine Welten aus Silber und Diamanten um die Glastiere aus Lauscha.
Der kleine blaue Vogel findet sein Nest und der Rabe einen Sitz, von dem aus er neugierig fragend guckt.
Figurative und erzählerische Bestandteile rücken in Helen Brittons neuen Broschen deutlicher als in vorangegangenen Arbeiten in den Vordergrund…
Auf Wolf und Pferd geht Helen Britton einen großen Schritt weit zu, indem sie deren Schatten, Formen und Konturen mit den ihr eigenen Linien nachzeichnet. Der Raum um Wolf und Pferd wiederholt deren Form und bildet einen schützenden Käfig. Im Kontrast zu den, durch ihren Herstellungsprozess bedingten, gewölbten Formen der Tiere bleibt die Arbeit des Goldschmieds hier flächig, zweidimensional.
Auch in den drei Ringen arbeitet Helen figurativ, indem sie die bewunderten Lauschaer Glasikonen abbildet: den Flaschenteufel, den Weihnachtsbaumschmuck und das Glastier.
Die sieben neuen Arbeiten in dieser Ausstellung sind aber nur ein Teil, erste konkrete Formen, die für das Publikum Zeugnis über einen Prozess ablegen, der progressiv ist und der für Helen Britton im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht.
Begonnen hat dieser Prozess offensichtlich viel viel früher als nur vor drei Monaten …
Ein kleiner blauer Glasvogel … aus einer Lauschaer Werkstatt – was allerdings nicht wissenschaftlich erwiesen ist – war in Helen Brittons Kindheit wichtiger Teil der Weihnachtszeit.
Ein fremdes, faszinierendes Objekt inmitten einer 70er-Jahre-Plastikwelt kommt an erster Stelle.
In Folge, ich kürze ab: 1997 Besuch auf dem Christkindelmarkt Nürnberg und dann wiederholte Reisen nach Lauscha – dem Ort, in dem Herr Greiner Mitte des 19. Jahrhunderts die Glaskugel erfindet, so weiß es zumindest das Lexikon.
Ich muss sicherlich nicht weiter erwähnen, dass es dabei nicht um das Einkaufen von Weihnachtsdekoration ging.
Im Rahmen ihres Projektes als Stadtgoldschmied reiste Helen Britton viermal nach Lauscha. Jetzt kürze ich wieder ab, da ich niemanden mit Details langweilen will, die im Online-Tagebuch des Erfurter Stadtgoldschmieds ausführlich erzählt und von Ihnen bereits gelesen wurden.
In einem Satz: Mit einer großen Portion Charme, mit Neugier und der engagierten Vermittlung von Frau Dr. Lindemann und der Hilfe von Herrn Schönemann konnte Helen Britton intensive Kontakte zu Lauschaer Glaskünstlern knüpfen:
- Helmut Bechmann,
- Hubert Koch,
- Günther Knye,
- Familie Precht,
- Familie Schaedel und die Sammlung mit Arbeiten von Albin Schaedel.
Mit den Werkstätten der Familie Hänlein und Helmut Greiner-Petter kam es zu einer Zusammenarbeit.
Bemerkenswert ist für mich die Zusammenarbeit mit Helmut Greiner-Petter, die sich in kurzer Zeit entwickelte. Da ist sicher nicht allein die gemeinsame Begeisterung für die Glasbläserei – Helmut Greiner-Petter ist ein Meister in der Herstellung von Figuren aus Hohlglas!
In meinen Augen gibt es da noch mehr: Mit der gleichen Leichtigkeit, die ich bereits in Helen Brittons Arbeiten ausmachte, schafft Helmut Greiner-Petter seine Figuren. Unglaublich präzise erfasst er das Wesentliche, und jede Figur hat genau ihren charakteristischen Ausdruck, ohne dass jemals jemand auf die Idee käme, ihre Form in Frage zu stellen.
Schließlich ist da auch noch bei beiden Künstlern die respektvolle Liebe zur Natur und den Lebewesen, die uns umgeben.
Dank Projekten wie Deinem und vielleicht auch denen zukünftiger Stadtgoldschmiede hege ich die große Hoffnung, Helen, dass unsere zahlreichen Gespräche über angewandte Kunst, Schmuck, Glas, Kultur und Ausstellungen der letzten Wochen keinesfalls ein Trauern um vergehende Zeiten und Qualitäten war.
Im Gegenteil …
… und ich danke Dir, dass ich die eigene kleine Welt in Deinen Skizzen und Arbeitsergebnissen aus den Augen eines neugierigen Tieres aus der Ferne betrachten kann.
Erfurt, Juli 2007 Felix Lindner
Es ist schwierig, so einem Projekt einen Namen zu geben. Mit der Hilfe einer Freundin kam ich auf den Titel. Er beschreibt nicht nur meine Arbeiten, er schließt mich mit ein. Auch ich bin ein Tier aus der Ferne.
Ich bin in Australien aufgewachsen mit einer kleinen Sammlung an Glastieren und Glasweihnachtsbaumschmuck, die aus Europa den weiten Weg in die neue Welt gefunden haben. Es war mir damals bereits klar, dass diese Schätze von ganz woanders herkamen, als wo ich lebte; sie waren exotisch und märchenhaft. Sie verkörperten das alte Europa. Jetzt bin ich – aus der südlichen Hemisphäre – hier, mit einer sehr romantischen Idee. Ich bin ein romantischer Neue-Welt-Mensch.
Hier in Thüringen begegne ich unter anderem Geschichten, die auch von Tragik, Verlust, Entwertung und gewaltigen Veränderungen erzählen. Diese Geschichten berühren mich, aber es sind nicht meine Geschichten.
Meine romantischen Vorstellungen haben sich trotzdem bestätigt.
Ich wollte die ursprünglichen Gefühle, die ich mit diesen Glasteilen verbinde, die Urbilder und ihre eigenartige, auch unheimliche Kraft sichtbar machen. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, meine Sichtweise zu zeigen.
Was wertvoll ist, was exotisch heißt, was geschätzt wird, ist immer eine Frage des Standpunkts. Ich komme hierher aus einer anderen Welt, mit meiner dadurch geprägten Perspektive.
Ich bin, wie gesagt, ein Tier aus der Ferne.
Dank.
Die Freundlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft der Menschen, der ich in Lauscha in den Glaswerkstätten begegnet bin, hat mein Projekt in dieser Form ermöglicht. Für die bereichernde Zusammenarbeit mit Herrn Helmut Greiner-Petter und seinen phantastischen Glastieren sowie Herrn und Frau Hähnlein und ihren tollen Glasarbeiten in Lauscha bin ich sehr dankbar.
Der Stadt Erfurt danke ich herzlich für die Gastfreundschaft. Ganz besonders der Familie Lindner, Felix und Samantha Font-Sala. Frau Dr. Jutta Lindemann hat sich rührend um mich gekümmert.
Danke an alle, die mit ihrer Hilfsbereitschaft meinen Aufenthalt hier großartig gemacht haben.
Es geht mir nicht nur um die Zeit von drei Monaten als Erfurter Stadtgoldschmiedin. Diese Erfahrung ist für mich prägend, als ein Baustein in meinem Gesamtwerk.
Helen Britton